Mit dem Klavierschaffen des französischen Komponisten Maurice Ravel hat sich Alexander Krichel immer wieder beschäftigt. Bereits als Jungstudent in Hannover hat er mit Ravels „Gaspard de la nuit“ eines der überhaupt schwersten Klavierwerke gespielt. Und in den letzten Jahren konzertierte der gebürtige Hamburger und ECHO Klassik-Preisträger mit den beiden Klavierkonzerten von Ravel.
Für sein viertes, mit „Miroirs“ betiteltes Album für Sony Classical hat Alexander Krichel nun drei höchst anspruchsvolle wie musikalisch unterschiedliche Klavierzyklen aufgenommen, mit denen Ravel den musikalischen Impressionismus mitprägte.
Zu hören sind die 1917 vollendete Klaviersuite „Le Tombeau de Couperin“, die „Miroirs“ (1904/05) sowie „Gaspard de la nuit“ (1908). Für Alexander Krichel sind diese Werke faszinierende Beispiele für Ravels kontrastreiche Ausdruckspalette und Stimmungen, für die er gerade das Helle dem Dunklen und das Licht dem Schatten gegenüberstellt.
Mit „Le Tombeau de Couperin“, das Krichel als helles, „fast unschuldig wirkendes“ Stück“ bezeichnet, eröffnet er seine Ravel-Hommage. Mit dieser Klaviersuite hatte sich Ravel vor dem französischen Barockkomponisten François Couperin verbeugt. Zugleich wollte er mit den insgesamt sechs Sätzen die französische Musik des frühen 18. Jahrhunderts, ihre tänzerische Delikatesse, melodiöse Eleganz und ihren Esprit einfangen.
Gilt „Le Tombeau de Couperin“ als musikalisches Gründungsmanifest eines bald auch von Igor Strawinsky erprobten „Neo-Klassizismus“, so ist Ravels Zyklus „Miroirs“ seine erste umfassendere Beschäftigung mit dem musikalischen Impressionismus. „Nicht die Sache abbilden, sondern die Wirkung, die sie ausübt“ – diese vom französischen Dichter Stéphane Mallarmé formulierte Forderung könnte die Hör-Anleitung für die „Miroirs“ sein. Von scheinbar spukhaft umherschwirrenden „Nachtfaltern“ („Noctuelles“) über das iberisch angehauchte „Morgenständchen des Spaßmachers“ („Alborada del Gracioso“) bis zum regelrecht Lisztschen „Tal der Glocken“ („La vallée des cloches“) spannt Ravel da den Bogen.
Ganz andere, auch dämonische Sphären betritt man mit Ravels „Gaspard de la nuit“. Inspirationsquell für diesen 1908 komponierten, dreisätzigen Reigen bildeten Gedichte des französischen Romantikers Aloysius Bertrand, der sich in diesen Phantasiestücken als begeisterter Leser von E.T.A. Hoffmann erwies. Im ersten Stück „Ondine“ steht die unglücklich in einen Sterblichen verliebte Meeresjungfrau im Mittelpunkt. In „Le Gibet“ (Der Galgen) läuten die Totenglocken und tauchen wilde Akkord-Formationen das Gerippe des Gehängten dunkel- und feuerrot ein. Und den Titelhelden des letzten Satzes, einen grotesken Zwerg namens „Scarbo“, porträtiert Ravel mit einer spieltechnisch irrwitzig schweren Klangsprache.